Keine Macht für niemand – ein kontrollierter Kontrollverlust

Meine Recherche zum Thema offene Dramaturgien und transdisziplinäre Formate der Publikumsbeteiligung hat in den Monaten April und Mai 2022 mit dem Freien Werkstatt Theater in Köln stattgefunden und lässt sich grob in drei Phasen einteilen.
Zunächst eine ca. 3 wöchige Phase der Anreicherung durch Lektüre und Recherche, eine zweite Phase (ca. 2 Wochen), in der ich einerseits Theateraufführungen, Escape Rooms besucht und verschiedene Videogames erkundet habe, und andererseits Interviews mit Kolleg:innen geführt habe, die mich in meinem Forschungszusammenhang interessierten bzw. Schnittmengen zu meinem theatralen Ansatz haben. In einer dritten Phase (1,5) Woche habe ich eigene szenische bzw. gruppendynamische Settings entwickelt und mit einer Testgruppe ausprobiert.
Abschließend habe ich in der letzten Woche meine Ergebnisse zusammengetragen und eine grobes Konzept für ein Projekt entwickelt, das sich aus dieser Recherche entwickeln kann.

Phase 1
Lektüreliste:
Oliver König: Einführung in die Gruppendynamik
Handbuch Alles über Gruppen: Theorie, Anwendung, Praxis
Zoran Terzić: Zukunft. Kunst des Ungewissen
Harald Welzer: Nachruf auf mich selbst
Fritz Breithaupt: Das narrative Gehirn.
Internetrecherche zu anderen partizipativ arbeitenden Gruppen/ Dokumentationen/ Videomaterial: Turbo Pascale, holländische Gruppe (FFT), fixfoxy.com , Dawns Tipp aus US und England

Phase 2
a) Interviews zu Arbeitsweisen von offenen Dramaturgien, Publikumsbeteiligung und immersiven Räumen mit Kolleg:innen.

Arne Vogelgesang (Internil)
Andreas Schneiders (Signa)
Sebastian Blasius
Anna-Maija Terävä (Oblivia)
Guido Rademachers (Dramaturg)

b) reale Besuche/ Besuche als Userin

– Signa Besuch: „Die Ruhe“ Theatertreffen /Schauspielhaus Hamburg im alten Paketamt Altona (siehe auch Interview mit Andreas Schneiders, Performer der Gruppe)
– Escape Room VR in Köln
– Escape Room analog in Bielefeld
– KI Experimente mit sprechender Mikrowelle/Videogames (Tipps von Arne Vogelgesang)

Phase 3 Eigene Versuche auf Probebühne Freies Werkstatt Theater (letzte Woche der Recherche)

FOTOS DOKU

– die Gruppe sich selbst überlassen: 3 Versuche in 3 Abstufungen von Niedrigstrukturierung,: Stufe 1: Der leere Raum, keine Ansprache, keine Requisiten/ Stufe 2: Laborsituation: ich im Arztkittel, kurze Einführung (Zeitvorgabe, kein Thema, keine Regeln von mir, ich werde anwesend sein, aber schweigen)Kostümtasche abgestellt in Ecke der Probebühne, ebenso unabsichtlich absichtlich eine Soundanlage mit Miniklinke für Möglichkeit ein Handy an zu schließen.,
– Do what you saw, als kollektive Praxis
DWYS ist eine von der finnischen Performancegruppe entwickelte Improvisationstechnik

– Stufe 3 Abschlussversuch 2 Stündiges Setting mit Testpublikum
– Die Testgruppe war eingeladen an einer Feldforschung zum Thema Erinnerung teilzunehmen. Sie finden einen leeren Raum und eine zunächst nur finnisch sprechende Wissenschaftlerin vor. So weit sie verstehen, sind sie aufgefordert, eine vorgegebene Zeit als Gruppe selbst zu gestalten. Überforderung macht sich breit: Wer hat das Sagen, gilt es etwas herauszufinden, gibt der Raum versteckte Hinweise? In einem weiteren Schritt – so wird es ihnen von einer zweiten Wissenschaftlerin mitgeteilt – geht es nun darum, sich an die gemeinsam in diesem Raum verbrachte Zeit zu erinnern. Nicht nur verbal, sondern auch emotional, durch den Körper, durch den Raum.

– Eine aus der Gruppe beginnt, sie betritt das Memory Field, und hat 5 Minuten Zeit sich zu erinnern, Die anderen schauen zu, nun ist der nächste aufgefordert seine Vorgängerin zu kopieren, ohne Zeitlimit. Nach und nach kopiert jede:r aus der Gruppe seine Vorgänger:in. Was zunächst als wissenschaftliche Studie zum Erinnerungsvermögen erscheint, zu der – mit Unterstützung von Probanden – geforscht wird, entpuppt sich nach und nach als eine Praktik der Empathie: Wer erinnert was? Wie sieht dein Körper aus, während er meine Bewegungen nachahmt? Welches Kondensat erschaffen wir gemeinsam aus der gemeinsam verbrachten Zeit?